Berggeschrey
Neuer Bergbau im Erzgebirge als wirtschaftliche Chance und Herausforderung für den Umweltschutz
1. Tradition, Geschichte und Ausblick
2. Chance für eine nachhaltige regionale Entwicklung der Wirtschaft
3. Herausforderung für den Umweltschutz
4. Bergbau als Motor für die Entwicklung der Infrastruktur

1. Tradition, Geschichte und Ausblick.
Im Erzgebirge begann der Bergbau mit Silberfunden in der Gegend um Freiberg vor
mehr als 850 Jahren. Dem Reichtum aus dem Bergbau hat Sachsen ganz wesentlich
seine historische Bedeutung als Kurfürsten- und Königtum zu verdanken. Aber auch
die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens mit unglaublich vielen technischen
Innovationen, die noch heute weltweit genutzt werden, wurde maßgeblich durch den
Bergbau angetrieben. Die Bergakademie Freiberg als älteste
montanwissenschaftliche Hochschule der Welt ist ein Zeugnis dafür. Auch die
Geschichte der rechtlichen Verhältnisse im Bergbau wurde ganz wesentlich in
Sachsen geschrieben. Mit dem Kohlenmandat von 1743 wurde eine bis heute im
Bundesberggesetz fortwirkende rechtliche Grundlage für die Rohstoffgewinnung in
Deutschland geschaffen.
Der Bergbau in Sachsen, ob auf Erze, Spate oder Kohle, ermöglichte eine reiche
Hochkultur in den Residenzen der Herrschaften und brachte zugleich eine
mindestens ebenso reiche Volkskunst hervor. Die aus dem Bergbau geborenen
Traditionen des Erzgebirges und anderer sächsischer Regionen sind bis heute die
identitätsstiftenden kulturellen Werte schlechthin. Die unzähligen Heimat-,
Bergbau-, Schnitz- und Klöppelvereine sind dafür ebenso charakteristisch wie die
Volkskunstproduktion des Seiffener Winkels. Diese gilt es zu erhalten und zu
fördern - und das nicht nur zur Weihnacht!


2. Chance für eine nachhaltige regionale Entwicklung der Wirtschaft.
Mit dem Untergang der DDR endete auch der Bergbau abrupt und fast vollständig.
Zum einen wurde nun kein Uran für den militärischen Komplex der Sowjetunion mehr
benötigt und zum anderen waren die Rohstoffpreise auf den weltweiten Märkten
gerade so niedrig, dass eine rentable Förderung nicht mehr möglich war. Im
Tiefpunkt dieser Entwicklung 1995 wurde beispielsweise eine Tonne Zinn für nicht
einmal mehr 2000 US-Dollar gehandelt.
Diese Situation hat sich grundsätzlich gewandelt. Aktuell (10/2023) kostet eine
Tonne Zinn rund 25.500 US-Dollar. Nicht zuletzt wegen des anhaltend hohen – und
tendenziell steigenden – Zinnbedarfs weltweit. Zudem haben der Krieg durch
Russland in der Ukraine, die beherrschende Stellung Chinas auf den
Rohstoffmärkten, höhere Anforderungen an die Einhaltung von Menschenrechten im
Bergbau sowie der zunehmende Rohstoffbedarf für die Energiewende zu dem
Bestreben geführt, Rohstoffe wieder stärker im eigenen Land zu fördern, um diese
Abhängigkeiten zu verringern.
Im Erzgebirge, und besonders in unserem Landkreis, befinden sich die weltweit
größten noch nicht erschlossenen Lagerstätten für Zinn, deren Metallgehalt
mehrere 100.000 Tonnen umfasst. Dies eröffnet eine Perspektive auf eine neue
Periode der bergbaulichen Rohstoffgewinnung in unserer Heimatregion und könnte
den Bogen zum historischen Erfolg des Bergbaus im Erzgebirge schlagen.
Aus der Sicht von Bündnis 90 / Die Grünen kann und muss das neue „Berggeschrey“
in einer Weise organisiert werden, die nicht zu einer kurzfristigen Ausbeutung
der Lagerstätten führt, nach deren Abschluss unsere Region wieder an den Tropf
von staatlicher Unterstützung und Subventionen gezwungen wäre.
Wir wollen die Wertschöpfung aus den Rohstofflagerstätten im Erzgebirge,
zumindest aber in Sachsen realisieren. Dazu gehört neben der Förderung der Erze
auch deren Aufbereitung und Weiterverarbeitung in der einheimischen Industrie
bis zur höchstmöglichen Wertstufe.
Unter dem Gesichtspunkt einer nachhaltigen neuen Bergbauperiode im Erzgebirge
wird es auch wichtig sein, die vorhandenen Lagerstätten nicht gleichzeitig und
in kurzer Frist auszubeuten. Gerade bei den strategisch wichtigen und kritischen
Ressourcen wie Zinn, Wolfram, Indium und Lithium plädieren wir für einen
zeitlich gestaffelten Abbau, um die Rohstoffsicherheit auch in einigen
Jahrzehnten gewährleisten zu können.
Jedes Bergbauvorhaben benötigt etwa 150 Mitarbeitende im Kernbereich. Dazu
kommen Arbeitsplätze in der Weiterverarbeitung. Schon heute herrscht ein
eklatanter Mangel an Arbeitskräften in vielen Firmen. Damit das Entstehen neuer
Bergbaubetriebe nicht durch Abwerbung aus den eingesessenen Betrieben zu einer
weiteren Verschärfung des Fachkräftemangels führt, sind schon heute Konzepte für
die Qualifizierung und auch die Zuwanderung von Arbeitskräften für diese
absehbare Aufgabe zu entwickeln.


3. Herausforderung für den Umweltschutz
Bergbau bedeutet fast immer, dass es zu schweren nachteiligen Eingriffen in die
Natur und Landschaft an den Bergwerksstandorten kommt. Unsere Heimatregion wurde
zuletzt durch den rücksichtslosen Raubbau der SDAG Wismut schwer geschädigt. Die
Beseitigung dieser Schäden allein aus dem Uranbergbau wird bis zum Abschluss der
Sanierung rund 9 Milliarden € kosten. Damit neuer Bergbau nicht wieder in solch
zerstörerischem Ausmaß betrieben wird, benötigt er politische und rechtliche
Rahmenbedingungen, die dem Schutz von Mensch, Natur und Umwelt Priorität
einräumen. Durch das geltende Bundesberggesetz können diese Schutzgüter jedoch
nicht mehr ausreichend gesichert werden, denn es räumt dem Rohstoffabbau
Vorzugsrechte vor allen anderen bestehenden Rechten ein. Seitdem dieses Vorrecht
eingeführt wurde, sind aber fast 300 Jahre vergangen und es haben sich neue
Problemlagen wie das Artensterben herausgebildet, denen mit dem alten Bergrecht
nicht begegnet werden kann. Auch aus diesem Grund haben die derzeit regierenden
Koalitionen, sowohl in Berlin als auch in Dresden, eine zeitnahe Modernisierung
des Bergrechtes in ihre Koalitionsverträge aufgenommen, was wir erzgebirgischen
Grünen für vordringlich umzusetzen halten.
Bis zu einer Neufassung des Bergrechtes müssen die derzeit bestehenden
Regelungen restriktiv zum bestmöglichen Schutz von Menschen und Natur angewendet
werden. Die schon in anderen Bundesländern weitgehend etablierte Praxis, die
anerkannten Umweltverbände von Beginn an in die Planungen und
Genehmigungsverfahren einzubeziehen, muss auch in Sachsen verbindliche
Behördenpraxis werden. Dazu gehört auch die frühestmögliche Information und
Beteiligung der vom Bergwerksvorhaben betroffenen Bevölkerung. Bewilligungen zum
Abbau von Rohstoffen dürfen nicht mehr ohne Prüfung der konkreten Betriebspläne
erteilt werden. Sind nachteilige Eingriffe in den Naturhaushalt nicht
vermeidbar, so müssen die notwendigen Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen vor dem
Beginn der Bergbautätigkeit abgeschlossen sein. Die Praxis der
Genehmigungsbehörden, einen vorzeitigen Vorhabensbeginn zu gestatten, obwohl die
Genehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind, muss sofort beendet werden.
Und schließlich sind für die laufenden wie die Abschlusssanierungen der
Bergbauflächen Sicherheitsleistungen in voller Höhe der zu erwartenden
Sanierungskosten auf staatlichen Treuhandkonten zu hinterlegen, um die
zukünftigen Sanierungsaufgaben durch die Unternehmen zu finanzieren und eine
Kostenüberwälzung auf die Steuerzahler auszuschließen.
Beim Wassermanagement müssen wir unterscheiden zwischen den eher unkritischen
Prozesswässern der Aufbereitung, bei denen das Wasser regelmäßig im Kreislauf
eingesetzt und nur der prozessbedingte Schwund ersetzt wird – schon aus
Kostengründen.
Der relevantere Wasseraspekt ist der der Grubenentwässerung. Hier werden große
Mengen Wasser abgepumpt und den Vorflutern (Bächen) zugeführt. Da die Gruben
Pöhla und Rittersgrün in denselben Vorfluter entwässert werden sollen, würde
sich der Wasserdurchsatz im Pöhlwasser etwa verdoppeln. Bei gegebenem Gefälle
und Querschnitt des Baches wird sich zwangsläufig die Fließgeschwindigkeit
erhöhen und die gesamte Biologie und Ökologie des Fließgewässers verändern. Dies
stellt zumindest eine Herausforderung für den Naturschutz dar.


4. Bergbau als Motor für die Entwicklung der Infrastruktur
Unsere Region ist auf das Wiederaufleben des Bergbaus bisher in vielerlei
Hinsicht nicht oder nur schlecht vorbereitet. Zu den gravierenden Schwachpunkten
gehört die derzeit vorhandene Infrastruktur. Damit sind allerdings nicht nur die
Straßen gemeint. So, wie das Straßennetz nicht geeignet ist, die Massen- und
Warentransporte aus den Bergwerken aufzunehmen, trifft dies auch auf die
Bahnanlagen, das Wassermanagement und die Energieinfrastruktur zu. Allein in
unserem Landkreis sollen in Pöhla, in Rittersgrün und Geyer in wenigen Jahren
neue Bergwerke entstehen. Die Jahresfördermengen bewegen sich für jedes Vorhaben
zwischen 300.000 und 500.000 Tonnen Roherz pro Jahr. Ein großer Teil dieser
Fördermengen muss zur Weiterverarbeitung oder auch als fertiges Produkt an
andere Orte transportiert werden. Gleichzeitig müssen auch große Mengen an
Hilfsstoffen den Bergwerken und Aufbereitungsanlagen zugeführt werden. Die
vorhandenen Straßen sind ganz besonders in den Ortslagen, wo die Menschen leben,
so beschaffen, dass dies zu einer absolut unzumutbaren Belastung der Einwohner
führen würde. Mit der Planung von Bergwerksvorhaben muss deshalb zwingend eine
Planung der dafür notwendigen Infrastruktur einhergehen. Für diese Aufgabe ist
jedoch nicht der Bergwerksbetreiber zuständig, sondern die Politik und
Verwaltung auf Landkreis- und Landesebene. Vordringlich müssen deshalb
Transportwege, insbesondere der Bahn, ertüchtigt werden, um die Massengüter
möglichst umweltschonend zu transportieren.
Bergwerke und Aufbereitungsanlagen benötigen bei den angestrebten Fördermengen
enorme Mengen an Elektroenergie. Für diese Mengen stehen derzeit keine
entsprechenden Leitungswege zur Verfügung. Deshalb müssen von Anfang an der
Netzausbau sowie die dezentrale Energieproduktion in der Nähe der
Bergwerksanlagen mitgeplant werden.


Im Sinne eines nachhaltigen und umweltverträglichen Bergbaus und zur Förderung
der ländlichen Räume leiten sich folgende Anforderungen an Politik und Betreiber
ab:
Ansiedelung Gewerbe / lokale Arbeitsplätze / Förderung ländlicher Raum:

  • Steuersitz der Bergbauunternehmen am Ort der Aktivität zur Sicherstellung der Steuereinnahmen vor Ort.
  • Erarbeitung eines gesamtheitlichen Konzepts zur Ansiedelung von weiterverarbeitenden Industrien im direkten Umfeld inkl. der dazu erforderlichen Infrastruktur.
  • Konzept zur überregionalen / internationalen Gewinnung und Integration qualifizierter Arbeitskräfte inkl. Schaffung eines attraktiven Wohnumfelds.
  • Bei Bedarf Ausgabe von Fördermitteln.

Nachhaltigkeit:

  • Sicherstellung einer nachhaltigen Rohstoffgewinnung, um die Rohstoffsicherheit und damit eine gute wirtschaftliche Perspektive auch in den kommenden Jahrzehnten kontinuierlich gewährleisten zu können.

Transport:

  • Klare Priorität auf Gütertransport per Schiene. Transporte vor Ort nur mit klimaneutral angetriebenen LKWs und nur von/bis zum nächstgelegenen Bahnhof bzw. zu den lokal ansässigen Veredelungsanlagen.
  • Dazu erforderlich: Ausbau des Schienennetzes sowie der entsprechenden Umschlagplätze an den Güterbahnhöfen. Aufbau einer Ladeinfrastruktur für elektrisch betriebene LKWs.
  • Bei Bedarf Ausgabe von Fördermitteln.

Elektrische Energie:

  • Produktion des Energiebedarfs erneuerbar und vor Ort. Ziel muss sein, dass zukünftig eine Genehmigung des Bergbaus nur gemeinsam mit der Genehmigung der lokalen Energieproduktion erfolgt.
  • Bei Bedarf Ausgabe von Fördermitteln

 

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